Der folgende Text stammt aus einer zeitgenössischen Veröffentlichung zur letzten Hinrichtung in Tettnang im Jahre 1848. Zur Verbesserung der Lesbarkeit habe ich Zwischenüberschriften eingefügt und die teils recht langen Absätze hoffentlich sinnvoll unterteilt (die ursprünglichen Absätze habe ich mit dem Zeichen ¶ gekennzeichnet). Schreibweise und Zeichensetzung wurden unverändert übernommen.

Prolog

Das vergangene Jahr hat ſich dem jetzt lebenden Geſchlechte mit ſcharfem Griffel ins Gedächtniß geſchrieben, iſt aber reich genug in ſeinen Folgen und Nachwehen, daß es auch die Kommenden nicht vergeſſen werden. Zunächſt war es theures Brod, das durch ganz Europa beinahe auf alle Provinzen gleich ſchwere Noth legte und in manchen Ländern Hungersnoth und Seuchen erzeugte. Weit mehr Furcht und Beſtürzung aber erweckten die vielen, ſchauderhaften Verbrechen, wie ſie beinahe ein Tag um den andern der ſtaunenden Welt verkündete, die von ſolcher Rohheit, von ſo tiefer Verworfenheit zeugen, daß man an die ſchlimmen Zeiten des Heidenthums erinnert wurde und ſich fragen mußte, iſt das auch in einer Zeit und unter Menſchen möglich, die man ohne Aufhören wegen ihrer hohen Bildung preiſt, und für deren Ausbildung jetzt in einem Jahr mehr geſchieht, als früher in vielen Jahrzehnten nicht geſchehen konnte.

Die Noth iſt überſtanden, aber nicht in ihren Folgen, die noch lange ſchmerzen werden, wie eine tiefe, brennende Wunde. Wenn man glaubt, ſich anſtrengen zu müſſen, daß ſolch leibliche Bedrängniß nicht wiederkehre, um wie viel mehr nicht den Quellen nachſpüren, aus denen ſo große Verbrechen gekommen ſind. Daß doch das Alles nicht vergeſſen würde gleich einer hingeſchwundenen, peinlichen Nacht, als könnten ihr nicht andere, noch ſchreckensvollere folgen! Daß doch die ſo ſchwere Prüfung nicht an geſchloſſenen Augen und Ohren, an verſtockten Herzen vorübergegangen iſt, zu deren Oeffnung göttliche Gerechtigkeit noch mehr Ruthen zuſammen binden könnte! Folgende Zeilen ſind geſchrieben, eines der vielen Verbrechen der Verworfenheit des vergangenen Jahres zu ſchildern und damit zu zeigen, in welche Abgründe der Verworfenheit der Menſch hinabgeſtoſſen wird, nachdem er Gott verlaſſen hat. ¶

Entdeckung und Aufklärung des Verbrechens

An einem der letzten Tage des Monat Mai 1847 zog ein Ungewitter von den Ufern des Sees herauf und entlud ſich in ſchweren Donnerſchlägen und ſtarken Regengüſſen über das Land. Des andern Morgens, am 26., begab ſich ein Bürger der Pfarrgemeinde Tet‌tnang in den, an der Straße nach Lindau ſich ausdehnenden Wald Neſ‌ſelfang, um nachzuſehen, ob nicht auf ſeine, rings von Wald eingeſchloſſene, Wieſe ein Bach allzuviel Waſſer und Schlamm geleitet habe; auf derſelben lag ein groſſer Haufe von dürren Blättern und morſchen Holzbrocken. Als er dieſen genauer betrachtete, bemerkte er, daß beſonders die obere Lage wie auseinander geſtreut und übereinander geworfen war. Bei näherer Betrachtung wollte er auf der andern Seite des Haufens einen Handſchuh ſehen, den er aber bei ſchärferem Hinſehen als eine menſchliche Hand erkannte.

Von unheimlichem Gefühl ergriffen verließ er ſchnell Wieſe und Wald, und rief einen Nachbar herbei. Sie unterſuchten nun mittelſt einer Stange den Haufen und ſtieſſen nicht tief auf Kleidungsſtücke, worauf ſie den Ort verlieſſen und, in der Ahnung eines hier vollbrachten Verbrechens, bei Gericht Anzeige machten. Dieſes verfügte ſich an ſeiner Stelle und ließ den Haufen öffnen, in dem man einen männlichen Leichnam fand, der aber ſchon ganz von Fäulniß ergriffen war. Bei der Leichenöffnung ergab ſich, daß der ganze Schädel zertrümmert war, und der Verlebte ſein Leben gewaltſam von fremder Hand verloren habe. Die Geſichtszüge konnten vor Fäulniß nicht mehr erkannt werden; dagegen waren die Buchſtaben C. R. in das Hemd eingenäht. Darauf wurde die Leiche auf den Kirchhof zu St. Johann bei Tet‌tnang begraben.

Die amtlichen Ausſchreiben in die Nähe und Ferne entdeckten in den erſten Wochen nicht eine Spur des Verbrechens. Nachdem die öffentlichen Blätter wiederholt darauf aufmerkſam machten, erſchienen am 30. Juni Leute aus dem badiſchen Bezirksamt Heiligenberg vor dem Oberamtsgericht Tet‌tnang und erklärten: am 20. April ſey ihr Verwandter Carl Rimmele von Bauſtet‌ten, 20 Jahre alt, als Schreinergeſelle das erſtemal in die Fremde gegangen; ſie hätten ihn bis Tet‌tnang begleitet, wo er auch Arbeit gefunden; ſeit dieſer Zeit hätte er, obwohl auf der erſten Wanderſchaft, keine Nachricht mehr gegeben und ſie fürchten, es möchte ihm ein Unglück zugeſtoßen ſein; auf ihn paſſen die Kennzeichen der Geſtalt und der Kleider des aufgefundenen Leichnams, wie ſie in öffentlichen Blättern geleſen. Zu ihrem Schrecken erkannten ſie alsbald die vorgelegten Kleidungsſtücke als ihrem Verwandten gehörig an.

Jetzt erfuhr man durch andere Nachrichten, daß der Gemordete bei Schreinermeiſter Joſeph Frei in Arbeit geweſen. Vorgefordert erklärte dieſer, Carl Rimmele ſei bei ihm in Arbeit geſtanden, aber nur wenige Tage, dann habe er ihn, weil nicht ſehr gewandt in ſeinen Verrichtungen, entlaſſen. Auf die Frage, warum er das Wanderbuch, deſſen Abgabe man amtlich nicht verzeichnet fand, pflichtſchuldig an das Stadtſchultheiſſenamt nicht abgeliefert habe, erklärte Frei, daß er darin gefehlt. Da in dem Gemordeten der Geſelle des Frei erkannt war, dieſer aber ungenügend und ſehr verdächtig über das Einſtellen und Entlaſſen deſſelben desſelben ſich äußerte, ſo wurde er verhaftet. Als Frei dieß hörte, zuckte er die Achſel mit den Worten: dann werde er unſchuldig verhaftet.

Bei ſofortiger Hausdurchſuchung fand man noch weitere Kleidungsſtücke des Ermordeten, mit denſelben Buchſtaben bezeichnet. Des anderen Tages eröffnete die Ehefrau des Verhafteten in großer Gewiſſensangſt einem Bürger, bei dem ihr Mann viel zu arbeiten hatte, daß Frei den Geſellen nicht getödtet habe, vielmehr ſei dieſer beim Holzholen von Wilderern erſchoſſen worden, bekannte zugleich, daß noch mehrere Kleidungsſtücke im Haus verborgen, das Felleiſen aber im Dung hinter dem Haus vergraben ſei. Das Gericht, welchem der genannte Bürger davon ſogleich Anzeige gemacht hatte, fand Alles, wie angegeben, und verhaftete nun auch die Ehefrau des Frei, und dieſer bekannte ſchon im zweiten Verhör das Verbrechen des an Carl Rimmele verübten Raubmords mit allen Einzelnheiten, wie folgt. ¶

Geständnis des Raubmordes

In augenblicklicher Noth und nachdem er bei Mehrern eine kleine Geldſumme aufzunehmen umſonſt verſucht hatte, entdeckte er bei Rimmele, den er eben zur Arbeit eingeſtellt, ziemlich Geld, wobei alsbald der Gedanke, ihn zu tödten und zu berauben, in ihm aufſtieg. Nach einigem Kampf mit ſeinem Gewiſſen ſtand endlich der Entſchluß, das Verbrechen zu vollziehen, feſt. Deßwegen begab er ſich in den genannten Wald Neſ‌ſelfang und grub in dem Haufen, den wir oben erwähnt, die Grube für das erkorene Opfer. Darauf ging er in das nahgelegene Galgenwirthshaus, trank zwei Schoppen Moſt und um einige Kreuzer Branntwein, um Muth zu gewinnen, und kehrte dann nach Haus zurück. Nach dem Gebetläuten, als es Nacht geworden war, erklärte er dem Geſellen, daß ſie jetzt noch in den Wald müßten, Stangen zu hauen. Die Frau ſuchte ihn davon abzuhalten, da es ſpät und ſchon Nacht ſei; das ſei eben recht, war die Antwort.

Sie machten ſich alſo auf den Weg, der Meiſter mit einem Handkeil, der Geſelle mit einer Fuchsſchwanzſäge verſehen. Im Walde angekommen befahl er dem Geſellen in der Nähe der ſchon gemachten Grube, eine junge Tanne anzuſägen. Rimmele, dem Befehl des Meiſters folgend, knieete nieder und begann zu ſägen. In dieſem Augenblicke führte Frei, hochſtehend, mit dem Kopfe des Beils nach dem Haupte des tiefer Knieenden aus Leibeskräften mehrere Schläge nacheinander, ſo daß dieſer lautlos umſank. Um zu erkennen, ob noch Leben in ihm ſei, bückte ſich der Mörder lauſchend nieder, und als er noch einen Laut zu hören meinte, führte er raſch noch einige Schläge auf die rechte Seite des Kopfes. Nun wollte er dem Todten die Handſäge nehmen; die Hand des Todten hielt dieſe aber ſo krampfhaft umſchloſſen, daß der Mörder Finger um Finger öffnen mußte, wobei ihn kaltes Grauſen durchdrang.

Darauf packte er den Gemordeten bei der Bruſt und einem Fuße, und trug ihn, um nicht am Boden in den dürren Blättern eine Spur zu ziehen, zu der gemachten, nahen Grube. Nachdem er in haſtiger Eile das Geld, das in eines der Kleidungsſtücke eingenäht war, dem Todten entriſſen hatte, verſcharrte er ihn, bemerkte aber alsbald, daß die Grube nicht tief genug gemacht ſei, welchen Fehler gut zu machen er keine Kraft und keinen Muth mehr in ſich fühlte.

Kaum war über der Leiche die Grube geſchloſſen, als der Mond über den Wipfeln der Bäume herauf kam und Alles ringsum mit ſeinem Lichte übergoß. Da erfaßte den Raubmörder ſolche Angſt, daß ſich ihm die Haare zu Berg ſträubten, und er, ohne zu wiſſen, wohin er rannte, ſich in das Dickicht des Waldes ſtürzte, um den Weg zu gewinnen, auf dem er gekommen war. Auf dem freien Felde angelangt, hatte er kaltes Blut, das geraubte Geld zu zählen, welches ſich auf etwa 30 fl. belief; ſo hoch hatte er es nicht geſchätzt. In einem nahen Bach wuſch er das von Blut beſpritzte Beil.

Es ging gegen Mitternacht, als der Mörder wieder zu Haus anlangte. Auf die Frage ſeiner Frau, wo der Geſelle ſei, erwiderte er: der werde wahrſcheinlich nicht mehr kommen; ſie ſeien nämlich im Walde auf Wilderer geſtoſſen, die auf ſie geſchoſſen hätten; er habe ſich in einem Buſch verborgen, bis Alles wieder ruhig geweſen, der Geſelle aber, nicht ſo gewandt, ſei wahrſcheinlich von ihnen getötet worden. Die Frau ſchien dieſer Nachricht zu glauben; in großer Beſorgniß um das Loos des Unglücklichen weckte ſie aber in der Nacht ihren Mann mehrmals mit den Worten: er ſolle doch in die Kammer hinaufgehen und nachſehen, ob der Geſelle noch nicht zurückgekommen ſei. Der Mörder erhob ſich jedesmal, ging hinauf und kehrte immer wieder mit der Nachricht zurück, er ſei nicht in ſeiner Kammer. Dieſe Nacht, bekannte er, kam kein Schlaf über ſeine Augen.

In den folgenden Tagen wußte er ſeiner Frau begreiflich zu machen, daß man das Vorgefallene, um nicht noch beſtraft zu werden, verheimlichen müſſe. Sein Bemühen ging nun dahin, jede Spur, welche bis zu ſeiner Schwelle leiten könnte, zu verwiſchen; deßwegen ſchickte er einen Theil der Kleider des Gemordeten an ſeinen Bruder nach Gmünd, der ſich, ſchon lange mit ihm erzürnt, über ſolche Freigebigkeit wunderte; anderes verkaufte er in Lindau, das übrige wurde im Hauſe verſteckt, das Felleiſen ſpäter im Dung vergraben, das Wanderbuch zerriſſen. Nach ſolchen Vorkehrungen ſchien die Entdeckung der That ſchwer, wenn nicht unmöglich. So verging eine Woche um die andere, der Raubmörder hatte ſein Verbrechen beinahe vergeſſen, als plötzlich die Kunde in die Stadt kam, man habe einen Leichnam in dem Walde nach Lindau aufgefunden. Da erkundigte er ſich, ſcheinbar aus bloßer Neugierde, wie und wo die Rede darauf kam, ob man den Getödteten kenne, ob man Verdacht auf Jemand habe u. a.; und warf dann ſo hin, das werde wohl nicht aufkommen. Nachdem die Leiche begraben war, galt ihm für gewiß, daß nun jede Gefahr der Entdeckung vorüber ſei.

Sie ſtand vor der Thüre. Denn am Ende des Monat Juni erſchien Morgens ein Mann in ſeiner Werkſtätte und fragte, ob hier der Schreinermeiſter Frei wohne; als man ihm dieß bejahte, verließ derſelbe, ohne etwas anderes zu ſagen, das Haus ſo ſchnell, wie er gekommen war. Der Mörder geſtand ſpäter, daß der Anblick des Mannes, welcher Vatersbruder des Getödteten und dieſem ſehr ähnlich war, ihn wie ein Donnerſchlag berührt habe; er glaubte, der Ermordete habe ſein Grab verlaſſen und ſtehe leibhaftig vor ihm. Bald darauf erſchien der Bote des Gerichts, ihn vorzufordern. Er fragte, was man wolle, und wollte ſich umkleiden; ging aber auf die Antwort, er werde bald wieder entlaſſen, wie er gekleidet war, feſten Schrittes weg und folgte dem Ruf, nicht ahnend, daß dieß der Anfang des Endes ſei. ¶

Geständnis eines weiteren Mordes

Nachdem er all dieß bekannt hatte, ſchien ſein Gewiſſen noch nicht entlaſtet. Nun geſtand er ſein zweites, vielmehr ſein erſtes Verbrechen, von dem er aber weder das Jahr noch den Tag anzugeben wußte; nur aus andern zuverläſſigen Angaben ergab ſich, daß es zwei Jahre vorher am Tage vor dem heiligen Pfingſtfeſte verübt worden war. Frei hatte ſich an dieſem Tage nach Lindau begeben, um auf dem dortigen Markte Bretter zu kaufen. Hier wurde er mit einer feilen Weibsperson bekannt, welche ſchon mehrere unehliche Kinder geboren hatte. Nachdem ſie in einem Wirthshauſe an der Straße nach Bregenz eingekehrt und geiſtige Getränke genoſſen hatten, führte ihn die liederliche Dirne in eine der Bretterhütten auf den Wieſen längs dem See, und wurde hier von Frei, als ſie dann Geld von ihm verlangte, auf eine gräßliche Weiſe erwürgt. Aus Beſorgniß von Jemandem geſehen zu werden, wenn er die Hütte verlaſſe, blieb er bei der Leiche, bis es Nacht geworden, bedeckte die Erwürgte mit Heu, das in der Hütte lag, und verließ den gräuelvollen Ort mit Anbruch der Nacht. Man fand die Leiche, als ſie von Fäulniß ergriffen war, bei der Leichenöffnung den Körper aber ſchamlos und entſetzlich verſtümmelt. Die über das Verbrechen angeſtellten Unterſuchungen blieben ohne Erfolg, der Urheber unentdeckt. ¶

Das Eingeſtändniß beider Verbrechen begleitete der Raubmörder mit dem zahlreicher Betrügereien und Diebſtähle, welche er ſelbſt bei denen nicht unterlaſſen konnte, die ihm mit Rückſicht auf ſeine Familie Arbeit und Verdienſt gaben; auch ſtachelte ihn Rachegefühl, das Eigenthum derjenigen muthwillig zu beſchädigen, die er ſich abgeneigt glaubte. Da ſich nach ſolchen Ergebniſſen der Unterſuchung keine Theilnahme an den Verbrechen auf ſeine Ehefrau legte, ſo wurde dieſe alsbald der Haft entlaſſen. Zugleich mit dem Bekenntniß kehrte allmählich bei dem Mörder der ruhige Blick auf ſein vergangenes Leben, auf den Zuſtand ſeiner Seele, auf das ſchreckliche Loos ſeiner ganzen Familie, beſonders ſeiner drei unſchuldigen Kinder, deren Schickſal er aufrichtig und bitterlich zu beweinen nicht aufhörte.

Gerichtsverfahren

Nachdem die Unterſuchung geſchloſſen und das Nöthige eingeleitet war, erſchien Frei, des Raubmordes angeklagt, am 7. Januar 1848 vor den Schranken des Criminalſenats in Ulm. Aus der Anklage des Staatsanwalts ergab ſich, daß Frei, geboren zu Gmünd am 31. Auguſt 1813, durch das Beiſpiel ſeines Vaters keine gute Erziehung erhalten und ſich ſpäter fortwährend einem liederlichen Leben mit ſchlechten Dirnen ergeben habe. Im Jahre 1838 verheirathete er ſich mit einer ſieben Jahr älteren Weibsperſon, welche ihm einiges Vermögen und ein von einem Andern erzeugte Kind beibrachte. Von Oberdorf, Oberamts Tet‌tnang, wo er ſich niedergelaſſen, überſiedelte er, beſonders auf Antrieb ſeiner Ehefrau, nach Tet‌tnang, wo er ſein Fortkommen aber auch nicht fand und im Jahre 1842 in Gant gerieth. Von nun an begann Noth in der Familie, und er beging einen Betrug und Diebſtahl um den andern. Der Staatsanwalt ſchloß nach allſeitiger Begründung ſeiner Worte mit dem Antrag, daß der Angeklagte wegen Mords durch das Schwert enthauptet werde.

Derſelbe ſaß vor den Richtern mit geſenktem Haupt und zeigte in ſeinem Antlitze tiefen Gram und Schmerz; er weinte während des ganzen Vortrags des Staatsanwalts und brach in lautes Schluchzen aus, als auf ſeine Kinder die Rede kam. Nachdem auch ſein Vertheidiger das Wort ergriffen hatte, wurde der Angeklagte aufgefordert zu ſagen, was er zu ſeinen Gunſten zu ſagen habe. Er erhob ſich, nahm einen Papierſtreifen aus ſeiner Weſtentaſche und begann Mehreres mit feſter Stimme abzuleſen, wornach er durch die Noth ſeiner Familie zu dem Verbrechen getrieben ſein wollte, und der Stadtrath in Tet‌tnang und deſſen Vorſtand bei jedem Verſuch, ſich aus dieſer Noth empor zu ringen, ſich ihm mißgünſtig erwieſen. Der Schluß ſeiner Worte war: „er ſei in Verzweiflung und nahe daran geweſen, ſich ſelbſt und ſeine Kinder zu ermorden, er habe geglaubt, es gebe keinen Gott, keinen Monarchen und keine Hülfe mehr; in ſolcher Stimmung ſei die fürchterliche That von ihm geſchehen, die ihm Gott vergeben möge; er ſehe ſeinem Tod ruhig entgegen. Möge das geſamte Menſchengeſchlecht an ihm ein Beiſpiel nehmen, wohin es führe, wenn der Menſch nicht ehrlich lebe und Gott nicht fürchte.“

Nachdem der Staatsanwalt das Wort noch einmal ergriffen, der Vertheidiger auf daſſelbe verzichtet hatte, wurde der Angeklagte abgeführt; die Richter zogen ſich zur Berathung zurück. Da ſonſt Nichts bekannt gemacht wurde, ſo ſchien das Todesurtheil ausgeſprochen worden zu ſein. Nun erfolgte die Uebergabe der Unterſuchungsſache an das königliche Obertribunal zur letzten Entſcheidung; dieſes ſprach einſtimmig das Todesurtheil über den Angeklagten. Da auch Seine Königliche Majeſtät auf den von dem Königlichen Juſtizminiſter erſtatteten Vortrag keinen Grund gefunden, im Wege der Gnade eine Milderung der erkannten Strafe eintreten zu laſſen, ſo wurde dem Raubmörder am 24. März das Todesurtheil im Gefängniß eröffnet. Darauf war er vorbereitet und erwartete längſt ſchon nichts anderes.

Die noch übrige kurze Zeit verwendete er zur geiſtigen Bereitung auf den Tod; der Abſchied von ſeinen Kindern, für die er ſich noch überallhin flehentlich um Spendung milder Gaben gewendet, war erſchütternd. Am 1. April endlich wurde nach gehaltenem peinlichem Gericht unter dem Zuſammenſtrömen einer großen Volksmenge an ihm das Todesurteil durch das Schwert vollzogen. Nach der Hinrichtung hielt einer der zwei Geiſtlichen, welche den armen Sünder zur Richtſtätte begleiteten, nachfolgende Rede. ¶

Im Original ohne explizite Angabe des Verfassers; herausgegeben 1848 von Johann Thomas Stettner, Lindau.